Nachdem ein Bericht der Bergführer-Vereinigung „Freiluftleben“ letzte Woche im Social Media geteilt wurde, möchten wir auch etwas dazu sagen. Lange schon haben auch wir diese Entwicklungen bemerkt. Wie einige aus unseren Touren erfahren mussten, sind auch uns nicht nur positive Erinnerungen geblieben. Angefangen von einem Erstkontakt mit dem Hinterbliebenen eines Absturz-Opfers am Ankogel oder der fast hautnah miterlebte Lawinenabgang an der Jungfrau im Berner Oberland. Am Matterhorn mussten wir mitansehen, wie jemand nur drei Meter vor uns um Haaresbreite an einem leichten Aufschwung trotz Sicherungspunkt ungesichert abgerutscht und fast in die Ostwand abgestürzt ist. Und wie Timo von Freiluftleben es so treffend formulierte – solche Themen bleiben meist im Abseits. Wir wollen Sie erzählen, aber glauben auch, dass man niemandem Angst vorm Bergsteigen machen muss.

Auch eure Meinung dazu würde uns dabei interessieren – Sind auch euch so manche Einträge in den großen Facebook-Gruppen zu heldenhaft oder lassen Fragen offen? Wie geht es euch damit – denkt ihr über manche Touren kritisch nach – wer traut sich überhaupt nachzufragen? Wie ihr wisst haben wir unsere Gruppe für solche Fragen und geben auch gerne direkt per Nachricht Infos und Hinweise.

Hier findest du unsere YOU LOVE MOUNTAINS Facebook-Gruppe 🙂

Wir finden es wichtig und richtig, dies tatsächlich zu tun – sich selbst zu informieren. Wir möchten dabei zwar niemanden kritisieren, denn jeder soll seine Touren machen wie er möchte, doch sind manche Empfehlungen und Beschreibungen fern jeglicher Vernunft. Auf Gletschertouren in steilen Firnrinnen spätnachmittags einzusteigen, weil man gerne die Tour als Ein-Tages-Tour aus dem Tal erleben möchte. Hochtouren als Tagesprogramm mit Pausen auf zugedeckten Gletschern, ohne Seil und mit spätabendlichem Abstieg oder populäre Bergtouren mit Steinschlaggefahr an Hochsommer-Wochenenden. Es gibt viele Exemplare dieser Berichte, welche keineswegs nur die Motivation steigern sollten, sondern auch hinterfragt werden müssen. Alleine schon all die Einsätze der Bergwacht rund um die Zugspitze sind an diesen schneereichen Hochgebirgstagen absolut unnötig. Gerade im Social Media darf, kann – ja MUSS nachgefragt werden, wer sich nicht auskennt, sich unsicher fühlt oder einfach gerne noch mehr Infos haben möchte.

Auch wir bereiten uns trotz unserer Tourenerfahrung auf unsere Touren sehr intensiv vor – mit zahlreichen Internetrecherchen, aber immer mit der Grundlage von mindestens 3 Wetterberichten renommierter Institute und einer kleinen Bibliothek an Tourenführern aller Gebiete können wir uns eine Idee dessen erarbeiten, was uns auf der nächsten Tour erwartet. Um nochmals auf den Bericht von Timo einzugehen: Unfälle passieren, sie sind nicht mit Sicherheit zu vermeiden, aber es ist auf Bergen sehr wohl möglich, die Gefahren weit unter das Niveau einer Autofahrt zu bringen. Timo sieht das als seine Aufgabe als Bergführer – und auch als die Aufgabe jedes Einzelnen und da können wir ihm nur nickend zustimmen.

Ich möchte dabei abschließend ein kleines Beispiel unserer Tourengedanken in der Vorbereitung und während der Tour am Beispiel unserer letzten großen Hochtour des Jahres geben – Piz Bernina über den Biancograt – der große Klassiker der Ostalpen.

Tourenwahl/Zeitpunkt: Die Tour hatten wir seit Monaten im Visier – entweder es passte das Wetter nicht, oder es war Wochenende bzw. wir hatten unter der Woche keine Möglichkeit vom Job wegzukommen. Warum? Die Tour wird am Wochenende im Sommer überrannt – der ausapernde Zustiegsgletscher birgt großen Steinschlag und überholen am Grat ist kaum möglich, das wussten wir. Am Tag unserer Entscheidung (2 Tage vor der Tour – 1 Tag vor der Abreise): Wetter bis inkl. am Tag nach der Tour stabil (Wichtig für Notfälle im Notbiwak bzw. Hubschrauberrettung), keine Gewitterneigung, der Gipfeltag: ein Dienstag Anfang September. Wir erwarteten wenig Leute, keinen Stress, keine große Hitze, klare Sicht.

Die Tour: Am Vorabend erfuhren wir in der Hütte, dass wir die einzigen waren. Der Vorteil der freien Strecke war etwas getrübt durch die fehlenden Wegweiser – mit Bergführer und Gast vor uns, wäre der Weg deutlich leichter zu finden gewesen. Wir erkundigten uns in der Hütte über den Zustieg, den Sonnenaufgang und erfuhren nützliches von einem Bergführer, der am nächsten Tag auf den Piz Morteratsch gehen sollte: Weg ca. 40min gut markiert, danach Sicht notwendig. Sonnenaufgang: ca. 5:45 Uhr. Ein Abmarsch vor 5:00 Uhr war daher überflüssig und das bestätigte sich. Wir waren gegen 6:00 Uhr in einen Schutthang ohne klaren Weg geraten und mussten etwas warten, bis wir genug Licht für den Weg hatten. Der klassische Abmarsch um 4:00 Uhr, wie man ihn im Juni/Juli macht, wäre sinnlos gewesen. Am Gletscher unter dem Grataufschwung sahen wir tausende Steine. Der Tag war nicht allzu warm, die Sonne noch tief genug – wir sahen keinen einzigen Stein  der zu den anderen abstürzte – Steinschlag vermieden. Danach geht die Route über versicherte Serpentinen hinauf – wer einen Stein abtritt, kann den darunter gehenden leicht erschlagen – wir hatten niemanden über uns – niemanden unter uns – perfekt!

Kein Stress: Am Grat war klettern angesagt, das Gelände für unsere Verhältnisse extrem leicht, aber es waren Haken und Ringe vorhanden und wir nutzten sie – wir hatten den ganzen Tag Zeit, warum also Stress entstehen lassen, denn für die Erstbesteigung waren wir bereits über 100 Jahre zu spät dran 😉 Am Grat kam das kleine Problem der Führerlosigkeit – mit genauem schauen findet man den Weg gut, aber keine Hektik aufkommen lassen, Verhauer frühzeitig abbrechen. Am Firngrat das bereits vor der Abreise erahnte Problem: Blankeis – und dazu kam eine sehr schmale Gratschneide: Eisschraubensicherung am langen, laufenden Seil. Wir hatten mehr als die üblichen Eisschrauben mit und bei 60m Seil kann man schonmal 180m ausgehen, bis man wieder eine Materialübergabe machen muss. Diese Taktik kostet vielleicht 30 Minuten mehr Zeit – im Vergleich zu den zahlreichen Seilschaftsabstürzen am Bianco war das Blankeis ein Segen, ein Geschenk – an die Alternative wollte niemand denken: Gehen am kurzen Seil vs. seilfrei gehen. Der Bianco ist neben dem Firn/Eis auch für seine Abseilstellen bekannt. Alle abkletterbar aber auch hier: Wer gutes Seilhandling hat, kann rasch ablassen oder abklettern: Viele klettern meist frei und sind dabei so verunsichert, dass sie fünfmal länger brauchen als am Seil mit ungleich hohem Risiko. Am Gipfelaufstieg die Schlüssellänge: keine Experimente – der Stärkere steigt vor ds – Fixpunktsicherung.

So kamen wir nicht in Mindestzeit eines Uli Steck, aber fast genau in der Zeit welche die Führerliteratur veranschlagt auf den Gipfel, später über den Spallagrat und blanken Gletscher mit guter Sicht auf die Spalten zur Hütte – Am Seil gesichert, ohne Stau, ohne Stress – ein Berg muss nicht unsicher sein, wenn man nur all seine Regeln beachtet. Und dank der guten Wahl des Wochentags: Wir waren mit 10min Vorsprung sogar die Ersten am Gipfel – von Süden kamen zwei Bergführergruppen welche uns am Gipfel begrüßten. Die großen Zeiteinsparungen holt man sich auf solch großen Bergen durch die Reduktion von Pausen, einem schnellen Schritt in flachem Gelände, mit sicherem Steigen am Fels und einer sehr guten Seiltechnik – damit es eine sichere Genusstour wird.

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